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Werbeveranstaltung "Autohaus Weeber" am 14. 05. 2022
Herrenberg braucht das Autohaus, aber muss es unbedingt in der Fußgängerzone beworben werden?

 


Was Herrenberg nicht braucht

Das Kopfbild zeigt ein (abschreckendes) Beispiel für ein "Event" zur Belebung der Altstadt. Da war das Ordnungsamt sehr großzügig. Es gibt manches, das Herrenberg besser machen könnte. Wir wollen hier keinesfalls Herrenberg als "Kommune der fehlgeleiteten Planungen" outen. Stadtentwicklung ist ein schier unlösbarer Knoten aus klammen Finanzen, baulichen und verkehrlichen Altlasten, Gesetzeslage (StVO!), Befindlichkeiten von Gruppen und Vereinen, alteingesessener Gebietsfürstenherrlichkeit, und speziell in Herrenberg aus einer äußerst bunten Bürgerschaft aus Streuobstwiesenbewirtschaftung, Daimler-Auspendlern und FFF (Fridays for future), um die Eckpunkte zu nennen. Die "Mitmachstadt" hat es echt schwer. Alle sollen mitschwätzen, alle haben Recht.

 

Die folgenden Aussagen gelten recht allgemein. Unter "Mehr" listen wir Beispiele aus Herrenberg auf.
 

1. Verwaltung und Gemeinderat verabschieden viele Einzelmaßnahmen, die an der Gesamtsituation wenig ändern, Probleme nur verlagern und woanders neue Probleme schaffen. Oft sind die Maßnahmen zeitlich begrenzt und haben den Charakter von Testläufen.Mehr

- Bewohnerparken nur in wenigen ausgewählten Wohngebieten

- Tempo 30 auf der Seestraße: immer noch zu schnell, verhindert nicht den Durchgangsverkehr

- Stadt-Navi: noch eine App neben Bahn-App, VVS-App, Komoot, Google Maps, ...

- Fahrrad-Innenstadtring: Radfahrende sind auf einem kurzen Stück weg vom Autoverkehr, aber näher beim Fußverkehr: Konflikte mit Zufußgehenden!

- Die I3opt. entlastet Schick-Platz und Seestraße vom MIV um 1/3 bis 1/5, belastet dafür die Nagolder-, Mühl- und Zeppelinstraße und bildet eine zusätzliche Barriere für den Fuß- und Radverkehr zwischen Bahnhof und Innenstadt.

- "Intelligente Ampelsteuerung" erweist sich als unwirksam in der Summe. Mehr Stau auf der Horber Straße!

- "Willkommensinseln". Nice to have.

- Neue Anzeigetafeln für die Parkplatz-Belegung (wurde vom Gemeinderat abgelehnt).

- Abriss der "Rose" zwecks Herstellung einer "Sichtachse".

- Die gute Idee "Chamäleon Spaces" nur während eines begrenzten Zeitraumes.

- Radschutzstreifen: gut gemeint, aber kaum benutzt. Warum? Weiterhin ungebändigter massiver MIV (Tempo 40) auf engen Straßen schreckt die Radler ab.

- "Stadtstrand" im Sommer 2022 zur zeitweiligen Belebung der Altstadt. Wiederholung in 2023.

- Förderprojekt "Temporäre Umgestaltung von Ortsmitten". Nach Beendigung der temporären Umgestaltung sollen die Resonanzen ausgewertet werden.

 

2. Hingegen sind Großprojekte schwierig durchzusetzen. Häufig sind Ideologien und Fundamentalismus im Spiel. Mehr

- Herrenberg-Süd: Man gibt sein Äckerle nicht her.

- Seltsame Furcht "Herrenberg darf nicht wachsen".

- Sankt-Florians-Prinzip: Umfahrungstrasse ja aber nicht hier bei uns... Baulücken schließen aber nicht die Wiese neben meinem Haus...

- Der Bau von Umfahrungsstraßen ist immer böse!

- Fußgängerzonen: Der Handel stirbt, wenn man nicht mehr mit dem Auto vor die Ladentür fahren kann. 

 

3. Leitbilder sind in großen Teilen sehr allgemein formuliert und lückenhaft. Gründe:
- Für zukünftige Planungen soll kein Handlungsdruck aufgebaut werden.
- Aktuelle Planungen dürfen im Leitbild nicht ergänzt, verändert oder infrage gestellt werden.
Brauchen wir überhaupt Leitbilder? Mehr

Beispiel für die Vermeidung von Handlungsdruck:
Leitbild 2035, Handlungsfeld 1: Wohnen und Wohnumfeld, Projekte und Maßnahmen
P2: Erhalt und Stärkung der Altstadt als Wohnstandort im Einklang mit anderen Nutzungen einer lebendigen Altstadt wie Handel, Kultur, Begrünungsmöglichkeiten, Dienstleistungen, Veranstaltungen und Begegnungen, zum Beispiel durch Erstellung eines Rahmenkonzeptes zur Belebung der Altstadt, der Änderung der Altstadtsatzung oder Ähnlichem.

Beispiele für Formulierungen, die sich 1:1 auf den IMEP beziehen:
Leitbild 2035, Handlungsfeld 4: Mobilität und Erreichbarkeit, Projekte und Maßnahmen
P5: Planung und Umsetzung der I3opt (
Bem.: die I3opt. ist praktisch tot. Die BürgerInnen sind mehrheitlich dagegen, und das Projekt ist nicht finanzierbar.)
P12: Neuordnung und Erweiterung des ÖPNV, zum Beispiel: Überprüfung der Taktung,  Citybus, Ruftaxi und Überprüfung der Einzugsbereiche der Bushaltestellen. (
Bem.: die sehr offene Formulierung im IMEP wurde übernommen.)

Beispiel für eine "Anpassung": Aktuelle fragliche Gesetzeslage (StVO) sticht Sicherheit für Radfahrende. Im Leitbild 2020 (2011 fertiggestellt) liest man auf Seite 39:
Projekt P 16: Überprüfung einer Veränderung der Aufteilung des Straßenraums im Hauptverkehrsnetz zugunsten des Fuß- und Radverkehrs (u.a. Wegfall einer Fahrspur stadtauswärts in der Nagolder Straße).
Der in Klammern gesetzte Passus wurde im Leitbild 2035 stillschweigend eliminiert.

 

4. Auf Wünsche der Bürgerschaft wird von der Verwaltung häufig unverbindlich eingegangen. Man ist vorsichtig und scheut weitreichende Pläne und Zugeständnisse. Mehr

Wir zitieren aus der Umsetzung der Bürgerumfrage zum Leitbild 2035 :

Ergebnis der Umfrage: Der Leerstand in der Altstadt ist einer der größten Kritikpunkte in der Bürgerumfrage.

Antwort der Verwaltung zur Umsetzung: Herrenberg hat mit seinen historischen Fachwerkhäusern und Gassen großes Potential für Einzelhandelsgeschäfte. Den Leerstand in der Altstadt zu beseitigen ist ein zentrales und wichtiges Vorhaben,  das die Stadtverwaltung mit dem Leitbild 2035 in Angriff nehmen wird. Der  Leerstand soll durch unter nderem durch gezielte Beratungs- und Informationsangebote beseitigen werden. Vor  allem sollen in Zukunft durch vermehrte Aktionen, wie beispielsweise den Stadtstrand im Sommer 2022 etc., attraktive Besuchsanreize geschaffen werden, die die Altstadt wiederaufleben lassen und somit auch der Anreiz  für Einzelhändler steigt, sich in Herrenberg niederzulassen. Gleichzeitig sollen  die  bestehenden Einzelhandelsgeschäfte mehr gefördert werden. (gehts noch unverbindlicher?)

 

5. Mit Zielvorgaben in Form von Zahlenwerten wird ein schmalbandiger Handlungsdruck aufgebaut. Seiteneffekte werden ausgeblendet, entscheidend ist das Erreichen der numerischen Werte. Ruhiges und fundiertes Denken in übergreifenden Zusammenhängen wird durch hektische Planeritis ersetzt. Messungen und Statistiken blähen die Maßnahmenpakete unnötig auf. Konkrete Maßnahmen werden auf die Warteliste gesetzt, solange die Messungen und Statistiken nicht abgeschlossen sind. Mehr

IMEP 2030: Die I3opt. ist ein extrem teures und aufwendiges Bauwerk, das seit 18 Jahren in der Planung ist und andere Projekte blockiert. Es soll die zahlenmäßige Verkehrsbelastung auf dem Reinhold-Schick-Platz und auf der seestraße senken, und auch nur dort.

Modellstadt Saubere Luft: Die überhastet eingeführte "Intelligente Ampelsteuerung" dient einzig zur Verflüssigung des KFZ-Verkehrs, um die NOx-Emissionswerte knapp unter den Grenzwert zu drücken.

Klimafahrplan "Herrenberg 2035 klimaneutral": Das Dokument umfasst 410 Seiten. Davon entfallen 55 Seiten - etwa ein Achtel - für den Maßnahmenkatalog.

 

6. Der Gemeinderat beharrt gerne auf inzwischen überholten Beschlüssen. Vermutlich spielt die Angst mit, eine Zurücknahme käme dem Eingeständnis eines Fehlers gleich und schwäche das Ansehen der Fraktion. Mehr

Original-Zitat eines Herrenberger Bürgers: Die Verkehrs"lösung" I3opt ist natürlich keine, das ist allen bewusst, aber sie ist ein typischer Herrenberger Kompromiss, bei dem jede einzelne Fraktion nicht völlig Ihr Gesicht verliert.

 

7. Zuschüsse sind essentiell bei klammen kommunalen Kassen. Einerseits engen sie den Handlungsspielraum ein, andererseits verführen sie zur Inanspruchnahme für Nebensächliches. Mehr

- Um die (begrenzten!) Zuschüsse zu bekommen, müssen im Schnellverfahren Projekte derart definiert werden, dass sie in den knappen Finanz- und Zeitrahmen passen. Die Projekte müssen innerhalb des Finanzrahmens abgeschlossen sein: Großprojekte sind damit oft ausgeschlossen. Für schon laufende Projekte gibt es i. d. R. keine nachträglichen Zuschüsse. Kommunale Pflichtaufgaben werden prinzipiell nicht bezuschusst.

- Beispiel für ein typisches Förderprojekt, hier des Landesministeriums für Verkehr: "Temporäre Umgestaltung von Ortsmitten". Es handelt sich um die Bereitstellung von Gestaltungselementen (Sitzmöbel, Blumenkübel, Info-Tafeln). Nach Beendigung der temporären (!) Umgestaltung sollen die Resonanzen ausgewertet werden.

 

8. Bürger-Foren, Haushaltsbefragungen und Runde Tische erzeugen einen unstrukturierten Datenkomplex, der allein aufgrund seiner Größe nicht beherrschbar ist. Die Menge an Beteiligungsmodellen (Mitmachstadt) ist zu groß und unübersichtlich.Mehr

- Zuviele Variationen für "Mitmachen": Planungscafe, Jugendforum, Mobilitätsforum, Klimabeirat, Klausurtagung, Projektgruppe, Verwaltungswerkstatt, Gruppeninterview, Ortsbegehung, Steuerungsgruppe, Arbeitskreis, Beteiligungsrunde, Workshop, Bürger*innenrat, Aktionstag, Barcamp ...

- Dieselben Fragen wiederholen sich in verschiedenen Beteiligungsrunden und erzeugen redundante und widersprüchliche Antworten.

- Je nach Zielgruppe und je nach Thema werden räumliche und zeitliche Grenzen vorgegeben, die neue und weiterführende Gedanken und Ideen ausbremsen.

- Die beteiligten Gruppen sind oft nicht vernetzt und wissen nicht voneinander.

- Aufgrund ihrer ausufernden Menge und Masse werden Protokolle in der Regel nur an die beteiligten Akteure abgegeben - oft verspätet. Eine geordnete zentrale Archivierung der Protokolle findet nicht statt. Mit viel Glück finden sich vereinzelte Protokolle im RIS.

- Moderation ist eine Kunst und erfordert extensives Fachwissen der Moderierenden. Es sollten immer Fachleute der Verwaltung zugegen sein, die im permanenten Dialog die Menschen über die Sache aufklären. Hilfreich ist oft eine "Schulung" in Form eines einleitenden fachlichen Vortrages. So werden unrealistische Beiträge von Anfang an vermieden.  

 

9. Der Zwang, jedes und alles aus den Ergebnissen von Beteiligungsrunden zu berücksichtigen, führt zu Qualitätseinbußen bei der schriftlichen Niederlegung von Dokumenten..Mehr

Leitbild 2035, dort im Handlungsfeld 7 "Umwelt, Natur- und Landschaftsschutz":
P5:  Sicherung  und  Ausbau  des  Frucht-kastens  als  Lebensraum  für  geschützte  Arten,   insbesondere   für   Mauersegler,   Fledermäuse
P6: Umbau des Stadtwalds zu einem sta-bilen, klimaresilienten, ökologisch wert-vollen Mischbestand

Das ist ein Beispiel für ein seltsames Nebeneinander von "klein-klein" und "umfassendes Maßnahmenbündel".

 

10. Externe Dienstleister für Projektmanagement und Moderation (B.A.U.M., Ifeu, AGP, ...) werden teuer bezahlt. Der Output besteht häufig aus umfangreichen Abhandlungen, Präsentationen und Zahlenwerken, die die Lesenden überfordern und oftmals wenig neue Erkenntnisse bringen, dafür Altbekanntes breit darlegen..Mehr

Wir verzichten auf Beispiele. Man lese die Originale, z. B. Seniorenbericht, Klimafahrplan, IMEP, Landkreis-Klimaschutzkonzept mit Steckbrief für Herrenberg.

 


"Wenn man etwas nicht machen will, bildet man eine Experten-Kommission, dann hat man ein Jahr gewonnen, und bis dahin haben die Leute vergessen, für was sie gestimmt haben."
Alan Posener, deutsch-britischer Journalist

"Moderne Gesellschaften arbeiten Probleme ab, indem sie neue Institutionen für die Bearbeitung schaffen - das genügt sich dann oft selbst oder spezialisiert sich so, dass man als Außenstehender kaum noch verstehen kann, worum es geht."
Michel Friedmann, Harald Welzer: Zeitenwende. ISBN 978-3-462-00089-4



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