Täglicher Stau auf der Horber Straße vor dem Reinhold-Schick-Platz
Autos sind keine Mittel, um Raum zu überwinden,
sondern um Raum zu gestalten.
Und so sehen die Städte und Gemeinden auch aus.
Harald Welzer
Die kürzlich erfolgte Umfrage der VCD-Ortsgruppe "Zu Fuß in Herrenberg - eine vergessene Art sich fortzubewegen" erfuhr eine hohe Resonanz. Die über 600 Kommentare der Bürgerschaft ergaben ein eindeutiges Meinungsbild: Zuerst muss der Autoverkehr raus aus Herrenberg.
Seit Jahrzehnten bemühen sich Verwaltung und Gemeinderat erfolglos um eine Eindämmung des motorisierten Verkehrs in der Kernstadt. Der Kardinalfehler der letztendlich durchgeführten Verkehrslenkungsmaßnahmen: Sie beschränken sich auf eine Verkehrsberuhigung des Reinhold-Schick-Platzes und der Seestraße. Der Verkehr wird nur innerhalb der Kernstadt umgeleitet. Es fehlt eine wirksame Umgehung der Kernstadt.
Die folgende Grafik aus dem IMEP 2030 zeigt das sehr deutlich:
Die gestrichelte Linie wurde von uns nachträglich ergänzt: Die Seestraße ist, trotz Tempo 30 und gestalterische Aufwertung zum "See-Boulevard", immer noch eine stark frequentierte Hauptverkehrsstraße.
Man beachte: der IMEP 2030 beruht auf diesem sogenannten "Vorbehaltsnetz". Offiziell ist damit der Verkehr mitten durch die Innenstadt bis zum Jahr 2030 "in Asphalt gegossen". Eine substantielle Änderung des IMEP ist zur Zeit undenkbar.
Untersuchungen des Verkehrsplanungsbüros BrennerBERNHARD ergaben: 77% des MIV (Motorisierter Individualverkehr) in der Kernstadt sind hausgemacht, und 33% ist Durchgangsverkehr von außerhalb. (Diese Daten stammen aus einer Präsentation der Stadt vom März 2019.) Das suggeriert: Lieben die Herrenberger ihre Autos?
Das ist zu simpel gedacht. "Hausgemacht" heißt: aller Verkehr von innerhalb der Stadtgrenzen. Und die Stadtgrenzen beinhalten die sieben Herrenberger Teilorte, die bis zu 4 Kilometer von der Kernstadt entfernt sind: von da kommt der Verkehr. Und warum fährt alles über den Reinhold-Schick-Platz? Schuldig ist auch die Unsymmetrie der Innenstadt: die großen Warenhäuser (Aldi, Kaufland, BayWa, Baumarkt) und die großen Parkplätze und Parkhäuser befinden sich im Norden - wer von Osten und Süden kommend zum Einkaufen kommt, muss durch die ganze Stadt fahren.
Komplett-Umfahrungen wurden schon früher angedacht. Die Pläne scheiterten am Geld, an der Geologie (Gipskeuper) und an einer Beeinträchtigung sensibler Naturgebiete (Eisweiher). Unsere Bildergalerie zeigt in einem komprimierten Rückblick ein paar "Highlights der Planeritis". Für ausführliche Informationen verweisen wir auf die Homepage der VCD-Ortsgruppe, Stichworte: I3opt - IMEP - Modellkommune - Klimafahrplan - BUS.
Die Bedarfsumleitung der A 81 führt durch Herrenberg. Da hat der Bund den Daumen drauf - Tempo 30 geht angeblich garnicht. Das Ordnungsamt meinte überdies: Tempo 40 - 50 auf der Nagolder Straße sei deshalb nötig, weil dadurch Autofahrer, die in Richtung Nufringen wollen, angelockt würden, geradeaus die Nagolder Straße zu benutzen und nicht über die Seestraße abzukürzen. Und als Antwort auf einen Vorschlag der grünen Ratsfraktion - Reduzierung der Nagolder Straße auf zwei Fahrspuren, um eine Fahrradspur einzurichten - hat die Verwaltung die verkehrliche Bedeutung der Nagolder Straße unmissverständlich herausgestellt. Lesen Sie hier nach.
Die ortsnahe (!) Nord-Umfahrung 1 A II ist auf eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 100 ausgelegt (Warum? Mehr).
Natürlich bedeuten mehr Straßen mehr Verkehr. Und der Verkehr auf der Nordumfahrung hat sich seit Inbetriebnahme im Jahr 2010 bis heute etwa vervierfacht. Der Lärm, besonders bei entsprechenden Windverhältnissen und Luftschichtungen, belastet den Südrand von Kuppingen massiv. Zugegeben: Kuppingen und Affstätt sind seitdem stark vom innerörtlichen Durchgangsverkehr entlastet. Die Kernstadt hingegen bekam einen attraktiven Zugang über den Kreisel bei der Schwarzwaldsiedlung: Noch mehr Autos in der Stadt!
Wenn schon Umfahrungen, dann mit stark reduziertem Tempolimit und so naturverträglich wie möglich! Und gleichzeitig muss die Innenstadt dermaßen verkehrsberuhigt sein, dass eine Durchfahrt unattraktiv wird. Das wurde in Herrenberg versäumt.