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Stadtstruktur

800 Jahre gebauter Geschichte liegen uns heute als Vermächtnis zu Füßen. Dass darin ein Schatz liegen soll, war uns nicht immer ausreichend bewusst. Doch wenn die Zukunft in der Vergangenheit geschrieben steht, ist ihr Wohl aufs Engste mit dem historischen Erbe verbunden. Für die nötige Orientierung sorgen innerhalb und auch außerhalb der Stadtmauer markante übernommene Siedlungsstrukturen, die der Entwicklung die Richtung weisen.

Schon vor dem Stadtbrand 1635 hatte sich die Grundstruktur der Stadt innerhalb ihrer Befestigung so abgezeichnet, wie wir sie heute kennen. In unmittelbarer Nähe der Stiftskirche unter der Burg war der Markt angelegt. Er war in Herrenberg keiner der bei den Zähringergründungen häufigen Straßenmärkte, sondern ein Platz, wie er bei den Staufern öfter vorkam. Er liegt im Schnittpunkt eines Achsenkreuzes zwischen der markanten Falllinie des Schönbuchausläufers, der seiner Bedeutung entsprechend mit Schloss, Kirche und Markt besetzt ist und der Hanglinie der Straßenverbindung Tübingen/Stuttgart von alters her. Das Rathaus kam erst später dazu.

Entlang der geradlinigen Handelsstraße um den westlichen Schönbuch herum siedelten die Burgherren die ersten Weinbauern unter ihrer Burg an. Sie waren zu der Zeit noch unfrei. Mit der zunehmenden Bedeutung von Handel und Handwerk verdrängten Werkstätten und Handelshäuser die Ackerbürger und Winzer in abseitige Gassen. Geblieben ist der kantige Straßenzug hoher und großer Patrizierhäuser zwischen Tübinger und Nufringer Tor im Zentrum. Seinen strengen Charakter hat er bis heute bewahrt. Ebenso wie die Gassen ihren eignen Charme erhalten konnten, der mit seinen kleinen Häusern das genaue Gegenteil davon ist. Ein wesentlicher Unterschied, den es abzusichern und auszubauen gilt, damit die Stadt bunt bleibt und sich weiter ausdifferenzieren kann, was ihre Vielfalt und damit ihre Attraktivität stärkt.

So ist die urbane Hauptstraßenverbindung gerade mal 5 bis 7 Meter breit, aber die Gebäude haben mit drei Geschossen eine Traufhöhe von fast 10 Meter. Dagegen sind die landwirtschaftlich geprägten Gassen oft breiter und die Gebäude haben allenfalls zwei Geschosse. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied mit Folgen auf den künftigen Ausbau der Stadt. In den weniger belichteten strengen Fluchten der Hauptachsen werden kaum dieselben Nutzungen vorkommen können wie in den heiteren und sonnigen Gassen, die die Achsen quirlig umspielen.  
Die Gassen eignen sich besser für die Bewirtung unter Schatten spendenden Bäumen, während in den Straßenfluchten die Bewirtung drinnen aber in einem entsprechend großartigen Fachwerk vorkommt. Die Gassen haben also eine extrovertierte und die Hauptstraße eine introvertierte Neigung. Für die jeweilige Entwicklung sind weder die Gassen noch die Straßen reif. Und auch nicht die Gänge, zu denen die Staffeln und die Wiche zählen. Das muss sich entlang einer abgestimmten Erschließungshierarchie von Platz, Straße, Gasse, Gang und Gängelchen und Staffel erst noch einstellen.  

Als "Bauwich" wird eine Abstandsfläche bezeichnet. Währund in früheren Zeiten der Bauwich vor allem im Norden Deutschlands eine gängige Bezeichnung war, findet heutzutage diese Begrifflichkeit kaum noch Anwendung. Bei einem Bauwich handelt es sich um den seitlichen Abstand eines Gebäudes von den Nachbargrenzen, welche aus Gründen des Brandschutzes sowie des nachbarlichen Lichtbedarfs eingehalten werden müssen. Wir verwenden "Wich" als Bezeichnung für einen schmalen Durchgang zwischen zwei Gebäuden.

Seit der Verkehr nicht mehr durch die Altstadt, sondern südlich des Grabens um die Altstadt herum führt, hat sich mit Hindenburg- und Seestraße ein Ring um die Altstadt geschichtet, durch den nun der gesamte Verkehr tost. Entsprechend gering und unterentwickelt ist der Besatz an Läden in dem gesamten Abschnitt. Genauso wenig können sich in diesen Straßen Handel und Gewerbe ausbreiten, wie es doch wünschenswert wäre. Um den aus der Altstadt fortziehenden Handel aufzufangen und neu in dem Ring zu konzentrieren, braucht der Handel dort seinen eleganten Fußgängerboulevard unter einer Baumallee als Ikone.

Zu den strukturellen Merkmalen der Altstadt gehört der Graben. Er verläuft auch heute noch nachvollziehbar bis auf die schmerzhafte Störung am Bronntor um die Stadt herum. Wie in manch anderen Orten wäre er auch ein willkommener Stadtpark, sobald der Verkehr ausgekehrt ist. Und nichts spricht dagegen, ihn teilweise wenigstens wieder mit Wasser zu füllen wie schon am Seelesplatz. Denn von einem ererbten Gewässer wie Schwäbisch Gmünd oder Nagold kann Herrenberg nicht profitieren.

Bemerkenswert sind abschließend die Quartiere, die die Gassen und Straßen gebildet haben. Im Zentrum liegen vier ausgesuchte Quartiere um das Kreuz von Bronngasse und Schulstraße/Hirschgasse, die fast die Hälfte der bedeutsamen Altstadt ausmachen. In ihnen entscheidet sich das Wohl und Wehe einer gelungenen Entwicklung der Altstadt.

 



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